Die große Veränderung
Der kleine Klaus dachte noch sehr viel über Noel nach. Jeden Abend hoffte er auf einen neuen Traum. Fast dachte er schon, Noels Hoffnung hätte sich wieder in Luft aufgelöst.
Immer wieder, wenn ihm die Tränen in die Augen stiegen, dachte er aber auch an seine beiden Brüder, die nun seine Aufgabe übernehmen wollten, den anderen Hunden an Weihnachten von einem Weihnachtswunder zu erzählen. Was sollten sie schon Tolles erzählen, wenn ihr Bruder noch so dermaßen in der Luft hing?
Doch dann, nur wenige Tage vor Weihnachten, fiel Klausi wieder in einen traumerfüllten Schlaf:
Er träumte davon, dass Noels Brüder Joseph und Honey-Boy sich für die Heilige Nacht wappneten. Sie erzählten sich zur Sicherheit noch einmal gegenseitig die ganze Geschichte ihrer wundervollen kleinen Weihnachtsfamilie. Von Oma Angira und ihrer Mama Angelie. Und von ihren drei Geschwistern, die das Gehege verlassen hatten, um zu ihren Familien zu reisen. Dabei wurden sie sehr traurig, wenn sie an den Start ihres Bruders dachten und welchen Ängsten er ausgesetzt war. Und ihnen wurde bewusst, dass sie selbst ja noch viel ängstlicher sind als er und dass sie eine solche Reise niemals überstanden hätten.
Davon wollten sie von nun an auch am Heiligen Abend erzählen. Nicht jeder ist mit so viel Mut und Tapferkeit gesegnet, einen solchen Weg zu gehen. Nicht jeder ist überhaupt für einen solchen Weg bestimmt. Und plötzlich empfanden sie es gar nicht mehr so schlimm, dass sie sich ihrer Tierschützerin bis heute nicht als die Helden der Welt gezeigt hatten.
Nein, sie waren regelrecht dankbar dafür, dass sie sich genauso zeigten, wie sie waren. Sie konnten den Menschen einfach nicht vertrauen und waren glücklich mit ihrem Leben, zufrieden in dem Gehege, wo sie sich sicher fühlen konnten und wo sie stets gut versorgt wurden. Und als sie so darüber nachdachten, fühlten sie sich plötzlich auch gar nicht mehr wie die beiden Brüder, die im Schatten ihrers Bruders Noel lebten. Denn auch sie hatten eine ganz wichtige Aufgabe in ihrem Leben.
Sie blieben in Griechenland, um den anderen Hunden wertvolle Geschichten zu erzählen. Wie sehr konnten sie sich doch in die Ängste ihres Bruders einfühlen. Und natürlich waren sie auch immer noch fest mit ihm verbunden, - sie wussten genau, was er durchmachen musste. Umso mehr freuten sie sich darauf, den anderen Hunden von einem neuen Weihnachtswunder zu erzählen. Denn Noel begab sich ein weiteres Mal auf die Reise.
Als Klausi aufwachte, hielt er seinen moppeligen grünen Hund mit den orangefarbenen Ohren und der Klugscheißerbrille auf der Nase, eng umschlungen. Ein paar Tränen liefen ihm die Wangen hinunter, denn er spürte eine unglaubliche Erleichterung. Und wie sehr hatte er doch schon den Duft von frischem Pansenpups vermisst …
Es war sehr spät am Abend, aber er hörte, dass der Fernseher noch lief und so sprang er aus dem Bett, um seinen Eltern von diesen Neuigkeiten zu berichten.
Auch sie freuten sich, dass sich für Noel noch einmal etwas zu verändern schien. Aber vor allem dachten sie über die Empfindungen von Joseph und Honey-Boy nach. Sollten die beiden tatsächlich Recht haben? Sollte es wirklich so sein, dass gar nicht jeder gerettete Hund in einer Familie leben möchte? Ist für manche die gewohnte sichere Umgebung nicht schon alles, was sie wollen?
Wie schwer mag das wohl für die Tierschützer dort zu entscheiden sein? Sie wollen doch sicher immer nur das Beste für ihre Schützlinge und ihnen nicht im Wege stehen, wenn sich die Möglichkeit auf ein Zuhause für die Hunde bietet. Wie entscheidet man, wer gehen darf und wer besser bleiben soll?
Wieder einmal hatte Klausi seine Eltern zum Nachdenken angeregt.
Gähnend nahm er seinen Karma-Klaus in den Arm und ging zurück ins Bett.
Voller Vorfreude auf den nächsten Traum schlief Klausi ein. Schon jetzt wusste er, dass er, wenn er am nächsten Morgen aufwachen würde, den Duft von frischem Pansenpups in der Nase haben würde.
Er sah nicht mehr, wie sein moppeliger grüner … Karma-Klaus an zu leuchten fing. Da war er schon längst wieder in seiner Traumwelt versunken:
Noel spürte deutlich die Veränderung, die auf ihn zukam.
Er sollte auf eine große Reise gehen und man versuchte, ihm Futter, angereichert mit einem Sedativum, vor die Nase zu setzen. Aber er war so voller Aufregung, dass er es nicht anrühren wollte. Doch dann hörte er plötzlich Stimmen. Die Stimme der jungen Frau kam ihm irgendwie vertraut vor. Hatte er die nicht schon einmal Zuhause im Gehege gehört? Das konnte doch nur ein gutes Zeichen sein. Beim zweiten Versuch, ihm das Beruhigungsmittel unterzujubeln, ließ er es geschehen. Nun wusste er, dass seine Träume von Rotkehlchen und Eichhörnchen ihm die Wahrheit erzählt hatten. Er hatte tatsächlich diese kleinen Helfertiere an seiner Seite. Und es gab sie tatsächlich, diese Menschen, die sich um ihn sorgten. Dennoch stresste ihn die ganze Situation sehr.
Und dann sollte er plötzlich in eine Box einsteigen. Aber diese Enge schien für ihn unerträglich und er wehrte sich mit allen vier Pfoten.
Aber er nahm auch wahr, dass es tatsächlich die junge Frau war, die er schon mit seinen Freunden im Gehege hatte schmusen sehen. Und er wusste auch um ihre sensible Art und Weise. Und diese bestätigte sich auch, denn sie machte gemeinsam mit ihrem Freund, das Auto „Noel-tauglich“, und so wagte er sich doch einzusteigen.
Er kauerte sich zusammen und ließ es einfach geschehen. Immer wieder döste er weg. Was hatte man ihm da nur gefüttert, dass er so müde war? Aber ihm verkürzte es dennoch die Zeit der langen Fahrt.
Hätte er auch von einem bunten Reh geträumt, wenn keine Drogen in seinem Futter gewesen wären? Einem Reh, das sich bewusst in Farbe zeigte, um ihn an die Verspieltheit seines inneren Kindes und die Facetten seiner Seele zu erinnern?
Das Reh sah ihn dabei vorsichtig an, da es auch selbst zu den scheuen Wesen gehörte. Dennoch zeigte es sich neugierig…, wollte ihn auf seiner Fahrt begleiten. Es erzählte ihm von seiner Sanftmut und wie wertvoll diese doch sei. Und es forderte ihn auf, mit mehr Leichtigkeit durchs Leben zu gehen.
Es erzählte ihm davon, wie wertvoll es sein kann, sich immer wieder für Veränderung zu öffnen. Es sprach von Liebe und Herzenswärme, von Daseinsfreude und innerem Frieden. Von Sanftmut, Dankbarkeit und Demut. Von Schönheit und Unschuld. Und ganz wichtig, es erzählte über Veränderung und Vertrauen.
Das Reh versprach ihm, ihm als Helfertier an seiner Seite bei alledem behilflich zu sein:
„Versuche, dein Herz weit zu öffnen, damit du dein Leben in all seiner Fülle auskosten kannst! Nun ist die Zeit gekommen, in der du deinen seelischen Schmerz loslassen kannst. Lass die Liebe in dein Herz und du wirst dich selbst wieder öffnen, um Liebe zu geben.
Lass dich auf die Menschen ein, die nun in dein Leben treten werden, denn so kannst du alle heilenden Energien für dich aufnehmen.
Und immer, wenn du einmal unsicher bist, dann erinnere dich an mich und meine Botschaft:
Öffne dein Herz, denn Liebe ist die Kraft, die alles schafft!“
Als Noel das nächste Mal aufwachte, war er bei den besagten Menschen angekommen. Er flüchtete sich vom Auto in das Haus. Schnell hatte seine Nase wahrgenommen, dass auch andere Tiere dort Zuhause waren. Und sein Weg führte ihn zu etwas Vertrautem. Das Hundekissen von seinem spanischen Mitbewohner…
Klausi sprang wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett und rannte zu seinen Eltern: „Er ist Zuhause angekommen! Noel wird glücklich werden!“
Karma-Klaus leuchtete, als der kleine Klaus Noels Geschichte erzählte, und der Duft von frischem Pansenpups schien dieses Mal ein ganz festliches Aroma zu haben.
Aber auch Klausis Eltern waren nicht untätig. Die Geschichte von Noel hatte sie so sehr berührt, dass sie sich fragten, ob es diesen besonderen Hund tatsächlich gibt. Sie staunten nicht schlecht, als sie eine eigene Facebook Seite über ihn fanden. Alles das was ihr Sohn ihnen erzählt hatte, schien der Wirklichkeit zu entsprechen. Und wie spannend würde es wohl sein, seine Geschichte weiter zu verfolgen.
Krafttier Reh:
https://www.rapunzellounge.de/krafttier-reh/
Commentaires