Wir waren erst ein paar Minuten unterwegs, als Klaus einen Anruf bekam. Ein Bekannter hatte Probleme mit seinem LKW und suchte einen Ersatzwagen. Er war ganz in der Nähe unserer Route bei einer Spedition angelangt und hoffte auf unsere Unterstützung, denn auch die Spedition hatte keinen Transporter mehr zur Verfügung.
Klaus sagte ihm, er könne unseren Truck übernehmen, wenn er uns einen Wagen besorgen würde, mit dem wir unsere Heimfahrt fortsetzen könnten. Wir hatten schließlich vor, uns unterwegs noch einiges anzuschauen und ohne Zeitdruck zu reisen.
So trafen wir uns auf dem Firmengelände der Spedition und tauschten die Autos.
„Perfekt!“, sagte ich zu Klaus. „Jetzt sind wir total flexibel und müssen nicht nach großen Parkplätzen suchen.“
Und schon saßen wir in einem Bulli und fuhren laut singend Richtung Donau. Wir beschlossen, dem Flusslauf eine Weile zu folgen und uns gegen Abend ein schönes Plätzchen für unsere Rast zu suchen. Plötzlich sahen wir ein kunterbuntes Schild, das auf einen Campingplatz hinwies.
Das perfekte Timing, denn wir hatten riesigen Kohldampf. Klaus sang schon seit einer Weile: „Mir tut mein Bäuchelein so weh, weil ich nirgends eine Pansenfrikadelle seh …“ Und ich wünschte mir insgeheim längst einen deftigen Panseneintopf.
Auf dem Campingplatz angekommen, erinnerten wir uns direkt an Joy, denn dort trugen alle kunterbunte Kleidung. Bei manchen steckten sogar Blumen in den Haaren. Wir näherten uns einem Lagerfeuer und schon bald sahen wir, wie dort getanzt und gesungen wurde. „Let the sunshine, let the sunshine in, the suuuhuunshiiiiine in …“
Über dem Feuer hing tatsächlich ein großer Topf mit Panseneintopf, es wurde mit Pansencocktails angestoßen und ein paar dieser lustigen Gesellen rauchten Pansenzigaretten.
Da alle einen fröhlichen und freundlichen Eindruck machten, gesellten wir uns zu dem lustigen Völkchen und wurden auch gleich zum Mitfeiern eingeladen.
Klaus hatte riesigen Spaß. Gemeinsam mit den anderen gröhlte er dort Lieder von Frieden und Freiheit. Mir wurde es aber nach einer Weile zu laut und so ging ich ein Stück spazieren.
Der Uferweg an der Donau entlang wirkte sehr einladend auf mich. Ich fand einen großen Stein, von dem man eine tolle Aussicht auf den Fluss hatte und setzte mich.
Die Abendsonne warf ein hübsches Glitzern über das Wasser, die Bäume spiegelten sich im Fluss. Ein Schwan breitete seine Flügel aus, ein paar Enten schienen Fangen zu spielen. Es war ein Moment, der meine Seele berührte und mir Ruhe schenkte.
„Ach was ist das schön hier!“ Ich drehte mich um und sah wie eine ältere Hundedame auf mich zukam. Auch sie sah aus, als käme sie aus einer vergangenen Zeit. Verschmitzt dachte ich, „Jeder Hippie muss mal Pipi“ und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Aufgeschlossen lächelnd kam sie auf mich zu und hielt mir die Hand hin: „Hi, ich bin Tante Berta Blümchen.“
„Klarissa Kauknochen. Heißt du echt Blümchen mit Nachnamen?“
„Ach Kind der Liebe. Ich liebe es um die Welt zu reisen und bin schon so lange unterwegs, dass niemand mehr meinen richtigen Namen kennt. Auch ich selbst habe ihn längst vergessen. So nennt mich jeder Tante Berta Blümchen und ich bin so bekannt wie ein bunter Hund!“
„Du kennst Joy?“
„Ohja, natürlich kenne ich Joy. Ich trage die große Freude stets in meinem Herzen. Sie ist ein Teil von mir, denn ich möchte die Gedanken der Liebe, des Friedens und der Freiheit in die Welt tragen. Das kann man nur, wenn man auch die große Freude in sich trägt.“
„Aber wenn du immer auf Reisen bist, hast du denn keine Verpflichtungen?“
„Ach Kind der Liebe, ich habe mir meine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Ich bin Sängerin und Gitarristin einer Rockband. Wusstest du, dass Musik ein unglaublich guter Emotionsträger ist? Mit Gesang und guter Musik erreicht man oft sehr viel mehr als mit gesprochenen Worten. Und selber singen kann sogar von Ängsten befreien. Und zur Musik zu tanzen bereitet Freude, die durch den ganzen Körper fließt. Musik ist etwas ganz wunderbares, darum bin ich auch heute noch Anhänger der Flower Power Bewegung. Es passt alles so gut zu meiner Lebensaufgabe, meinem Lebenssinn – Peace, Love and Rock n´Roll – und verstreu Joy all over the world!“
Wow, diese Tante Berta Blümchen schien wirklich aus ganzem Herzen zu tun, was ihr Freude bereitet. Sie hatte wohl tatsächlich ihre Lebensaufgabe gefunden. Ob Klaus und ich auch eine solche Lebensaufgabe haben? Plötzlich gingen mir wieder ganz viele Gedanken durch den Kopf.
Wie erkennt man seine Lebensaufgabe? Wie erkennt man seinen Seelenweg?
Tante Berta Blümchen schien meine Gedanken zu erahnen, denn plötzlich sagte sie: „Du kannst es nicht erzwingen. Hör auf dein Herz, es kennt den Weg. Und wenn du den bunten Hund dabei nicht fühlst, dann ist es nicht der richtige Weg. Frage dich, was dir die große Freude bereitet, was dein ganz eigener bunter Hund ist! Jeder ist mit einer Aufgabe im Gepäck auf dieser Welt und du wirst spüren, wenn du sie gefunden hast. Dann leuchtet dein innerer bunter Hund in allen Farben. Du wirst Freude empfinden und vor Liebe zerfließen. Selbst wenn dein Weg nicht immer leicht sein wird, wirst du wissen, dass es der deine ist.“
Jedenfalls scheint Joy in unser aller Leben eine wichtige Rolle zu spielen. Das war mir bisher gar nicht so bewusst.
Unsere Unterhaltung wurde jäh unterbrochen, als Karma-Klaus um die Ecke kam. Er hatte seine Liebe zu Pansencocktails und - Zigaretten entdeckt. Schief singend und breit grinsend kam er schwankend auf Tante Berta Blümchen und mich zu.
Ich war stinkesauer. Klausis Art zu feiern trug wohl nicht zu meinem Lebensglück bei. Er war zwar lustig, aber unerträglich und so brachte ich ihn zum Bulli, damit er seinen Pansenrausch ausschlafen konnte.
Am Nächsten Morgen wachte er mit einem Pansenkater auf, sodass wir nicht weiterfahren konnten.
Wie war das? Im Leben hat alles seinen Sinn. Beim Frühstück traf ich dann wieder auf Tante Berta Blümchen und sie erzählte mir, dass sie heute Abend ihr letztes Konzert für diese Saison geben würde und eine Mitfahrgelegenheit in Richtung Köln suchte. Ich lud sie natürlich direkt ein, mit uns zu fahren, denn sie würde uns sicher noch vieles über Liebe, Frieden, Freiheit und den Sinn des Lebens erzählen können.
Klaus war davon zwar nicht besonders begeistert, dass unsere Zweisamkeit nun erst einmal ein Ende hatte, aber nach seinem Exzess vom Vorabend fühlte er sich in meiner Schuld und stimmte mir dann doch grummelig zu.
Bis zum Abend ging es ihm aber auch schon wieder besser und mit Tante Bertas Konzert stand dann ja auch schon die nächste Feier ins Haus. Aber dieses Mal ohne derartigen Pansenkonsum. Das sollte schließlich nicht zur Gewohnheit werden.
Als wir dann am späten Abend über den Sinn unseres Lebens nachdachten und ich ihm sagte, ich wüsste auch sehr gerne, was meine Seelenaufgabe sei, da sagte Klaus schnack geradeheraus: „Wir setzen uns für Tierschutzhunde ein und bringen Geschichten in die Welt. Das ist doch längst unser Herzensweg! Und jetzt schlaf endlich …“
"Tante Berta Blümchen" gemalt von Petra Möller
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